In Hendon, in North West London existierte von 1908 bis 1969 ein Flughafen, das Hendon Aerodrome. Vor allem waehrend des ersten Weltkrieges war Hendon bedeutend, bis zu 4000 Menschen arbeiteten dort, es gab Start- und Landebahnen, Flugschulen und grosse Produktionsstaetten fuer Flugzeuge. Heute ist von dem Flughafen nichts mehr uebrig, die Landebahnen verschwanden Ende der 60er Jahre wurden Haeuser darueber gebaut, das Imperial War Museum nimmt heute einen Teil des Gelaendes ein.
Zwischen 1918 und 1920 entstand in der Naehe des aerodromes in Kingsbury direkt am heutigen Roe Green Park ein sogenanntes Garden Village, eine Ansammlung von cottages, die Arbeitern in den Flugzeugfabriken als Zuhause dienten. Das Office of Works beauftrage 1916 den Architekten Sir Frank Baines, dieses village zu entwerfen. Man baute kleine Reihenhaeuser auf damals noch gruenem Land, um fuenf schmale und leicht gewundene Strassen: Roe Lane, Scudamore Lane, Roe End, Goldsmith Lane und Shorts Croft, mit vielen kleinen und groesseren architektonischen Ideen, zum grossen Teil mit Schieferdaechern und alle mit vergleichweise grossen Gaerten. Die cottages waren aber vor allem praktisch eingerichtet, es gab natuerlich fireplaces, meist vier Zimmer ueber zwei Stockwerke, plus Kueche.
Dieses village existiert heute noch, es heisst Roe Green Village.
Roe Green Village hat sich ueber die Jahrzehnte wenig veraendert, 1968 wurde es sogar zu einer Conservation Area erklaert, man erkannte den Wert dieser Haeuser, groessere Veraenderungen sind heute nur mit Baugenehmigung erlaubt, der Charakter der Haueser und die Architektur sollen erhalten bleiben. Roe Green Village ist ausserordentlich schoen, einzigartig in London. vergleichsweise ruhig und zurueckgezogen, wenn man bedenkt, dass man nur zehn Minuten zu Fuss zur naechsten Tube Station in Kingsbury an der Jubilee Line braucht. Ein Garden Village, ein wenig countryside in London, kein Wunder, dass man dort nicht so leicht ein Haus oder eine Wohnung findet, die Menschen leben gern dort. Und neu gebaut wird wohl nie wieder. Roe Green Village ist so bedeutend, dass selbst ueber Open House regelmaessig Besuchertouren veranstaltet werde, wer Open House kennt, weiss, was das bedeutet.
Ich kenne Roe Green Village gut, ich habe dort die letzten sechs Jahre in London gelebt.
Ich habe gern in Roe Green gewohnt. Diese sechs Jahre waren die besten in London und auch die besten meines Lebens. Wobei das nicht nur mit dem village und mit unserem Haus zu tun hat, sonderen eher mit meiner wunderbaren Frau, mit meiner Liebe. Denn mit ihr habe ich dort das Haus geteilt, mich wohl gefuehlt, mich zuhause gefuehlt, gelebt. Und sie hat unser Zuhause eingerichtet, sie hat es gepraegt, sie hat ihren Ideen dort hinterlassen, sie hat mir alles gegeben, sie hat mich aufleben lassen.
Und wenn dieser unsaegliche und dumme Brexit nicht passiert waere, wuerden wir vermutlich dort noch immer wohnen, obwohl wir Plaene hatten, aber das ist eine andere Geschichte.
Die meisten Haeuser in Roe Green sind heute, was man Einfamilienhaeuser nennt, es gibt aber auch sogenannte Maisonette Wohnungen. Allen ist eines gemeinsam, die fuer Londoner Verhaeltnisse erstaunliche grossen Gaerten. Man meint in einem Dorf zu wohnen, es geht dort entspannter zu als nur ein paar Strassen weiter Richtung High Street. Wir kannten unsere Nachbarn, es gab wunderbar angenehme Menschen und solche, die Nichtbeachtung verdienten, aber das ist wohl ueberall so. Die Hauser sind ueber hundert Jahre alt, und sie halten sicher noch weitere hundert Jahre ohne Probleme der Witterung und dem Wetter stand. Sie haben damals gut gebaut. Ordentlich viel Geschichte schwebt ueber den Firsten, wer weiss, wer dort zuerst die Haustueren geoeffnet hat, um sich einzunisten.
Ich erinnere mich gern an die Zeit in Roe Green zurueck, wenn auch der Auszug mit vielen Huerden verbunden war. Eine sogenannte Conservation Area ist einerseits eine feine Sache, sichert es doch die Bewahrung, aber mit sinnvoller Anpassung an moderne Zeiten hat das nicht immer etwas zu tun. Es gibt ausserdem in Roe Green eine selbsternannte Interessenvertretung, die sogenannte Roe Green Residents Association. Die Mitglieder dieser association sind leider sehr altmodisch eingestellt, man koennte auch verbohrt sagen, und wir hatten kein gutes Verhaeltnis zu diesem Verein, aber sei es drum, auch das ist Vergangenheit.
Wer sich mal in Kingsbury in North West London herumtreibt, nicht nur die Indian Restaurants sind phantastisch, denn in Kingsbury lebt eine fabelhafte und grosse Indian community, das village ist aussergewoehnlich und einen kurzen Abstecher wert.
Change is the law of life. Bye, bye Roe Green, It’s been a real pleasure. Thank you for having us.
Und ja, auf einem der Bilder ist unser ehemaliges Haus zu sehen, aber ich verrate nicht auf welchem.
Recent Comments