Immer wieder. Fuer Wochen. Morgens frueh aufwachen. Nachts ist das Leben anders, warum ist das so? Nachts ist alles leise und ruhig. Still. Friedlich sollte es sein. Aber nachts wachen die Gedanken auf. Das ist ihre Zeit. Nachts darf ich aber nicht meinen Geist, meinen Verstand aufwecken. Dann beginnt der naechtlich Kampf mit der Dunkelheit. Und sie siegt immer, sie ist staerker. Ich habe das Gefuehl nicht siegen zu koennen. Warum muss ich ueberhaupt kaempfen. Ich habe nie verstanden, wieso man antritt um zu bestimmen, wer besser ist. Ich will gar nicht besser sein, ich will nur leben. Oder?
Und dann liegt man wach und das Bewusstsein, ist es das, rotiert. Nur schlafen wollen, den Daemonen ausweichen, morgen wird alles besser, irgendwann einschlafen, weil der Koerper es gebietet. Schlaf. Irgendwie. Geraedert aufwachen. Wieder ein Tag. Irgendwie geht es weiter, Bis zur naechsten Nacht. Und dann faengt das alte Spiel wieder an.
Warum tue ich mir das an?
Ich wache auf, es ist zwei Uhr morgens. Irgendwas stimmt nicht. Ich kreise und kreise. Es wird immer schlimmer. Das Licht der Strassenlaternen scheint fahl durch die Ritzen der Fensterladen. Ich schaue hinaus, draussen die Strasse, alles ist ruhig. Mein Herz scheint zu rasen, aber vielleicht ist das gar nicht so? Die Zeit bewegt sich nicht. Ich sehe an die Decke. Ein kleiner Daemon grinst mich an, dort oben, hat alles im Griff. Ich werde immer unruhiger. Ich kann nicht schlafen. Meine Gedanken erreichen Geschwindigkeiten, dass ich ihnen nicht mehr folgen kann. Ich bin schlecht, ich schaffe das alles nicht, ich darf mir nichts zugestehen. Ich habe meine ganzes Leben lang nichts erreicht. Dunkelheit, Finsternis, aber dazwischen dieses Licht von draussen. Ich werfe mich hin und her, nichts macht Sinn. Nur einschlafen, dass es aufhoert, irgendwann fuer immer einschlafen.
Ich denke an die Arbeit, an das was ich machen muss, an die naechsten Wochen, Verpflichtungen. Ich fasse einen Entschluss. Ich werde mich heute gehen lassen, ich kann gar nicht anders. Ich habe Angst. Es dreht sich alles. In eine paar Stunden faengt der Tag an, ich kann so nicht funktionieren, wie soll ich das erklaeren, kein Mensch wird mir glauben, alles ist sinnlos und nicht erklaerbar.
Ich bin wach und starre an die Decke. Irgendwann kommt der Morgen, der Morgen macht alles gut, aber nicht heute. Ich gehe runter, stammle sinnloses Zeug, frage meine Maedchen, das sie Bescheid geben soll, ich kann nicht aufstehen, ich muss zu Hause bleiben.
Sie kennt mich, sei weiss, was mich immer wieder aus der Bahn wirft.
Aber diesmal macht sie sich Sorgen, geht zu unserem Hausarzt, um vorsichtshalber einen Termin zu machen, versteckt alle Medikamente im Haus, die man missbrauchen koennte.
Zurueck im Bett, mein Maedchen bringt mir Wasser, sie sorgt sich um mich, ich kann nichts essen, nicht richtig denken, aber doch denken, die ganze Zeit, das ist es doch, das Denken hoert nicht auf. Ich ziehe um, ins andere Zimmer, da ist es dunkler. Was ist denn daran sinnvoll, der Finsternes zu entfliehen, indem man sich der Finsterness hingibt. Kein Schlaf. Irgendwann ist es mittags, glaube ich. Ich bin so leer und gleichzeit voll von Verwirrungen und Gedanken und Gruebeleien und Verruecktheiten. Ich will mich nur verkriechen, aber genau das mache ich doch, warum wird das nicht besser.
Wer bin ich, warum bin ich hier, was passiert mit mir.
Irgendwann schlafe ich doch ein.
Nichts kann mir passieren, wenn ich schlafe.
Dann wache ich auf, ich trotze allem. Irgendwie. Ich raffe mich auf. Draussen ist Tageslicht. Ich esse.
Ich bleibe fuer einige Tage zu Hause. Ich kann nicht anders.
Ich kann nicht erklaeren, was da passiert. Ich kann es auch nicht richtig beschreiben, vielleicht nur so, jetzt, hier, ansatzweise.
Vor einigen Jahren habe ich angefangen mit Menschen zu reden. Menschen, die viele wie mich erlebt haben. Menschen, die zumindest theoretisch wissen, was da passiert. Und diese Menschen haben mir folgendes gesagt, sie haben mich diagnostiziert, sie haben mich eingordet: Depression. Was fuer ein Begriff.
Und als die Menschen das gesagt haben, empfand ich Befreiung. Ich bin also nicht normal? Ich bin jemand mit einer, wie soll ich das nennen, Stoerung? Aber wie lange hielt das an? Weil, ich darf doch keinem zur Last fallen, ich darf doch nicht gestoert sein. Das hiesse ja, dass ich vielleicht sogar krank sei?
Es geht mir ganz gut. Es geht schon. Ich werde mir nichts antun. Das glaube ich bestimmt. Ich beginne mir selbst mit der Hilfe anderer Menschen zu erklaeren, was mich jahrelang, jahrzehntelang jeden Tag bewegt hat, was mich mein Leben lang unterworfen hat, was mich eingeschraenkt hat und immer noch einschraenkt, was mir manchmal die Kraft nimmt aufzustehen, was mich immer wieder an mir, an allem zweifeln laesst, was mich komplett auslaugt und aufsaugt und mich in die hinterste Ecke der Finsternis wirft. Immer wieder.
Aber es jetzt gibt sogar Augenblicke, in denen ich nicht denke, dass ich komplett scheisse und nutzlos bin. Das ist schon was.
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(Depression lies.)
Posted by: Kaltmamsell | 14 May 2017 at 08:07 PM
Danke für Ihre Offenheit.
Posted by: sjule | 15 May 2017 at 07:42 AM
Was die Kaltmamsell sagt.
Posted by: Anke | 15 May 2017 at 08:13 AM
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Posted by: Kiki | 15 May 2017 at 05:46 PM
Die Kaltmamsell hat recht.
Posted by: Jan Gedsudsiki | 15 May 2017 at 08:08 PM
Mutig.
Und wenn Du etwas nie warst, dann komplett scheisse und nutzlos. I can assure you of that.
Posted by: Maxx | 15 May 2017 at 10:57 PM
Das funktioniert so nicht, leider. Nicht so einfach.
Aber: Vielen Dank.
Posted by: Konstantin | 16 May 2017 at 09:15 AM
Wow. Erst einmal viel Respekt von mir dafür, dass Du so offen mit diesem Thema umgehst - das beweist viel Mut und erfordert viel Kraft.
Als ich das hier vorgestern gelesen habe, hat mich das sehr beschäftigt. Ich gebe Dir recht, "so einfach" kann man da mit Worten nichts machen. Das funktioniert so nicht.
Aber ich möchte Dir zu einem Satz ein paar Gedanken mitgeben - zu der Sache mit "zur Last fallen":
Als für meinen Pa letztes Jahr die letzten Wochen anbrachen, irgendwann so ab Oktober wurde es immer schwerer für Ihn, er benötigte immer mehr Unterstützung. Der Kopf war klar - aber der Körper funktionierte nicht mehr. Und für ihn war es sehr schwer - und immer wieder beschäftigte ihn, wie sehr er uns zur Last falle.
Und ja, natürlich bedeutete es für uns immer wieder eine große Anstrengung - aber: er hätte für uns, für mein Ma, für mich, für meine Frau genau das gleich getan. Und das ist das wichtige. Füreinander da sein. Da wird nichts aufgerechnet. Es ist einfach so. Und es ist gut so.
Liebe Grüße aus dem echten Westen der Republik ;-)
Jörg
Posted by: Jörg | 16 May 2017 at 03:25 PM
Danke Joerg
Posted by: Konstantin | 17 May 2017 at 02:05 PM
Dein Post hat mich ziemlich beeindruckt und die letzten Tage nicht losgelassen.
Meine Mutter war ebenfalls depressiv und ich weiß, dass man da nicht so einfach wieder rauskommt – auch wenn Außenstehende noch so sehr die sonnigen Seiten des Lebens (und des Betroffenen) hervorheben.
Ich möchte dir aber trotzdem einfach mal sagen, wie sehr dein Blog mein Leben in den letzten Jahren bereichert hat. Du hast mir meine (unsere) Lieblingsstadt immer lebendig gehalten – auch wenn ich so selten Gelegenheit hatte, selber hinzufliegen. Ich habe bewundert (und beneidet), wie du deinen Traum vom Leben in London verwirklicht hast – ich hatte nie den Mut. Der Humor, der in deinen Beiträgen immer wieder aufblitzt, hat mich oft zum Lachen gebracht – und ich weiß gar nicht, wie oft ich die Sunday Roasts schon gehört habe.
Ich wünsche dir von Herzen, dass es bald wieder mehr Licht in deinem Leben geben wird.
Sonja
Posted by: Sonja | 17 May 2017 at 02:52 PM
Lieber Konstantin,
ich hatte mir schon Sorgen gemacht, weil wir so lange nichts von Ihnen gehört haben. Es tut mir sehr leid, dass es Ihnen so schlecht geht. Und das ja scheinbar nicht erst seit kurzem.
Depressionen sind eine sehr ernste Sache. Lassen Sie sich professionell helfen, dann können Sie damit fertig werden. Aus Ihrem Blog sprechen so viele interessante und schöne Dinge, die Sie genießen und schätzen dürfen. Sie haben einen scharfen Verstand, eine gute Beobachtungsgabe und viel Witz. Richten Sie diese Gaben nicht gegen sich selbst (schon gar nicht nachts :-), sondern nutzen Sie sie, um sich mit Unterstützung anderer aus dem Sumpf zu ziehen.
Alles Gute! Ich wünsche mir noch viele Blogeinträge von Ihnen.
Ihr LondonLeben war für mich eine große Bereicherung in den letzten Jahren.
Vielen Dank dafür!
Posted by: Marion | 18 May 2017 at 01:09 PM
Lieber Konstantin,
ich wünsche Dir die nötige Kraft für Dich und dein Mädchen u auch für die Jungs, gegen die Dunkelheit anzukämpfen.
es gigt wieder Licht. Gib bitte nicht auf.
alles Gute,
Philipp
Posted by: Littmann, Philipp | 18 May 2017 at 04:39 PM
Danke.
Much appreciated. Ernsthaft.
Posted by: Konstantin | 19 May 2017 at 05:09 PM
Holy sh....pile of excrements.
Jaaaa, das kenne ich. Depression. Das ist großer Mist. Will keiner. Braucht keiner. Oft kann man garnicht sagen, woher das kommt. Ich meine, es geht einem doch gut. Man hat einen Job, Familie, Freunde... und trotzdem. Irgendwo da drin lauert was. Und man kann es nicht packen, nicht einordnen, in keine Schublade stecken.
Und wie so oft, es muß einem erstmal klar werden, dass es eine KRANKHEIT ist. Ja, die Seele kann auch krank werden. Und dann muß sie behandelt werden. Aber das muß man auch erstmal verstehen. Ich meine so richtig. Da reicht es nicht, dass es einem jemand sagt. Es muß die Überzeugung wachsen, die einem sagt: okay, ich bin krank. Und DANN kann man ran.
Ans suchen.
Erstmal geht es ans suchen. Bei einem Bruch ist das einfach, da weiß man, was zu tun ist, damit er heilt. Aber hier? Nicht jedem hilft alles. Reden. Reden ist schonmal ein Anfang. Erstmal da hinkommen. Und dann erstmal für sich selbst herausfinden, mit WEM. Das ist auch bei jedem anders. Manchen hilft es, sich vertrauten Personen anzuvertrauen. Manchen hilft es, mit anderen Betroffenen zu reden. Und dann gibt es noch die Therapeuten. Es gibt ambulante Gesprächstherapien, es gibt Kuren. Ach, da gibt es so einiges, wenn man mal ein wenig genauer hinsieht.
Wichtig ist immer: ein Schritt nach dem anderen. Nicht zu viel im voraus planen. Erstmal in der Früh aufstehen, duschen, Zähne putzen, sich ordentlich anziehen. Das klingt jetzt seltsam, ist aber schon eine Überwindung. Und dann Frühstück. Und so jeden Schritt abarbeiten. So kommt man durch den Tag.
Viele kleine Schritte. Nicht zuviel von einem selbst erwarten. Denn auch der Kopf funktioniert nicht so, wie man es gerne hätte. Ich hatte extreme Konzentrationsschwierigkeiten. Wortfindungsstörungen. In zwei Läden etwas einkaufen gehen zu müssen, und das an einem Tag - damit war ich schon total überfordert. Kleine Schritte. Eine Aufgabe nehmen und erledigen. Und erst DANN an die nächste denken.
Es wird wieder. Geduld mit sich selber haben, das ist vielleicht die größte Herausforderung. Denn man sieht sie nicht. Die Depression. Das ist der Mist bei der Sache. Und dadurch wirkt sie weniger real. Vorallem für andere. Ist sie aber.
Aufgeben geht nicht. Denn dann würde sie gewinnen. Und ich verliere äußerst ungern. Und was soll ich sagen. Ich gewinne. Jeden Tag aufs neue. Ich weiß, sie lauert. Sie ist irgendwo da drin. Und alleine dadurch hab ich ihn gefunden. Den Punkt, an dem ich sie packen kann.
Mit mir nicht mehr. Ich habe gute Tage, sehr viele gute Tage. Aber ich habe auch schlechte Tage. Das ist auch in Ordnung so. Ich akzeptiere sie. Ich kämpfe nicht gegen sie. Dann machen wir an diesen schlechten Tagen wieder kleine Schritte. Einen nach dem anderen. Und dann gehen auch die schlechten Tage wieder vorbei.
Wir kümmern uns um so viel, aber um unser Seelenheil, oder wie auch immer man das schimpfen mag, oft nicht. Das habe ich geändert. Sie helfen, diese vielen kleinen Schritte. Und eine gesunde (!!) Portion Egoismus. Man muß auch was NUR für sich selber tun. Das ist nicht böse allen Anderen gegenüber, das ist notwendig. Die Zeit, die man auch mal für sich alleine hat, die nutzt man dafür.
Alles Gute. Du wirst schon herausfinden, was für Dich der beste Weg ist. Nur nicht aufgeben. Du bist neugierig. Das wird Dich treiben, bewußt oder unbewußt.
Wir lesen uns.
Posted by: Diana | 31 May 2017 at 02:49 PM
I blame Brexit! Ich habe nach 25 Jahren in London auch Trennungsschmerzen gehabt. Du bist doch fast Engländer. Das tut weh. Ich wünsche dir gute Genesung und viel Glück.
Posted by: Ilse Thomele in Zambonini | 10 June 2017 at 04:42 PM